Wie sieht Eure Therapie aus?

#1
Ich habe im Internet gelesen, dass es spezielle Therapien für Bulimie gibt, dass z. B. ein Plan erarbeitet wird, wie man sich gesundes Essverhalten antrainiert. Als ich meiner Psychiaterin von der Bulimie berichtete, meinte sie nur, ich solle halt schauen, dass ich mich in Zukunft weniger übergebe. Eine Psychologin meinte, das sei doch nicht so schlimm. Und bei meiner jetzigen Therapeutin musste ich zwar in der ersten Zeit mein Essverhalten protokollieren, aber das war´s dann auch. Mehr kommt nicht. Was macht Ihr in den Therapien? Was hat Euch in den Therapien geholfen?

#4
Danke für Eure Antworten! Medikamente nehme ich nicht. Ich habe so einiges versucht und hatte schlimme Nebenwirkungen, einmal sogar eine beginnende Bewusstseinsspaltung und einmal, das war beim letzten Versuch, habe ich unter Medikamenteneinfluss eine ganze Packung Beruhigungsmittel genommen und wusste hinterher nichts mehr davon. Ich hatte in der Zeit meine Schwester angerufen, mir etwas zu essen gemacht, an verschiedenen Leute SMS geschickt - alles weg, ich weiß nichts mehr. Meine Ärztin, von der ich schon berichtet habe, sah das ganz locker und meinte: "Wo ist das Problem?" Sie wollte mir ein neues Medikament verschreiben, aber ich war entsetzt und wollte nicht mehr.

In meiner jetzigen Therapie habe ich ziemlich zugenommen und bin übergewichtig, so dass ich mich unwohl fühle. Ich habe parallel zur Therapie einen Abnehmkurs begonnen, um mit den Essstörungen fertig zu werden, was aber bisher nicht geklappt hat. Es war halt ein Versuch, weil es in der Therapie keine Hilfe diesbezüglich bisher gab.

Re: Wie sieht Eure Therapie aus?

#5
Hallo Nelli,
oh deine Therapien klingen ja ganz und gar nicht gut.

Ich finde Therapien gut und sehr wichtig, ABER sie können meiner Meinung nach auch sehr gefährlich werden,
wenn man an die falschen Leute gerät. Leider ist es so, dass es in jedem Bereich schwarze Schafe gibt.

Jetzt hab ich ein wenig den Durchblick verloren - Psychiater, Psychologe, Psychotherapeut - was davon ist aktuell?
Welche Therapie machst du zurzeit?
Wie arbeitet deine Therapeutin?
Auf welche Spezialgebiete hat sie sich festgelegt?
Welche Ausbildung hat sie?
...meiner Meinung nach ist es immer sehr wichtig, dass alles vor einer Therapie abzuklären.

Wie kommt ihr miteinander zurecht? Kannst du gut mit ihr arbeiten? Ihr alles anvertrauen? Versteht sie dich?
Ist sie dir eine Stütze? Hast du das Gefühl sie kann dir weiterhelfen?

Ich habe zwei Jahre lang eine Psychotherapie gemacht, die mit Psychodrama gearbeitet hat.
Sie hat bei so manch Problemen sehr geholfen, da ich mich zurzeit auch gerade in einem Umbruch befand.
Jedoch kam ich mit meiner Bulimie keinen einzigen Schritt weiter. Es wurde sogar schlimmer.
Ich hatte das Gefühl, dass meiner Psychotherapeutin auch das nötige "Werkzeug" fehlte um mir in diesem Bereich
helfen zu können. Es machte irgendwie den Anschein, dass es mit der Zeit uns beide frustrierte.
Wir drehten uns im Kreis und kamen einfach nicht weiter.
Ihr Ansatz war drum herum zu arbeiten. Sie glaubte, wenn wir bestehenden Probleme/ Konflikte beseitigen können,
würde isch auch automatisch meine ES auflösen. Klar ist das wichtig, aber meiner Meinung nach einfach zu wenig.
Ich glaube nicht, dass es bei einer bereits internalisierten Essstörung funktionieren kann.
Da muss man direkt an der Essstörung arbeiten, diese zum Thema machen, sie von allen Seiten beleuchten,
das Essverhalten genau unter die Lupe nehmen und daran arbeiten, sowie an den Verhaltensweisen, die dazu führten,
dass man krank geworden ist und die die Krankheit immer noch aufrecht erhalten.
Verstehst du was ich meine?

Jetzt mache ich eine ambulante Therapie in einer Essstörungsambulanz.
Ja, was soll ich sagen - ich bin immer noch nichts weiter gekommen. :(
ABER der große Unterschied ist, dass ich das Gefühl habe, dass man mir hier helfen kann und, dass die Leute auch
genau wissen was sie tun. Ich habe regelmäßige (1x wöchtentlich) Gespräche mit einer Psychiaterin, die der erste
Ansprechpartner, Ernährungsberatung und Gruppentherapie. Hinzu kommt noch, dass ich eine "Nachsorgeschwester"
bereit gestellt bekommen habe mit der ich mich jederzeit treffen kann und etwas unternehme, damit ich mal auf
andere Gedanken komme.

Weiters habe ich angefangen Psychopharmaka zu nehmen.
Ich nehme das Antidepressiva Gladem, ist ein SSRI.
Kann dazu aber noch nicht viel berichten. Noch keine Veränderung bemerkbar - nicht positiv,aber auch nicht negativ. :)
Welche Medis hast du eigenltlich genommen?

Das Konzept ist ganz gut.
Macht mich nur gerade etwas traurig, dass ich es trotzdem nicht so hinbekomme.
Es liegt aber an mir - ich brauche die ES zurzeit einfach sehr stark um meine derzeitige Situation ertragbar zu machen.

Den Abnehmkurs würde ich schleunigst wieder vergessen.
Ist meiner Meinung nach bei einer ES kontraproduktiv.
Du versuchst gerade auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen.
Das wird nicht gut gehen, denke ich.

Im Rahmen einer anständigen Therapie, die auf ES spezialisiert ist versucht man natürlich das Problem ganzheitlicher
zu bearbeiten. Wenn du dein Essverhalten in den Griff bekommst, wird sich auch dein Gewicht wieder einpendeln.
Aber das wichtigste ist immer noch, dass sich auch deine Denkweise verändern wird, die dich derzeit krank macht.
Das ist bei einem Abnehmkurs nicht der Fall. Der unterstützt und fördert sogar noch deine kranken Denk- und Verhaltensmuster.

Pass auf dich auf! :wink:
Liebe Grüße,
Aschenputtel

Re: Wie sieht Eure Therapie aus?

#6
Danke, Aschenputtel, für die sehr ausführliche Antwort!!!

Du meinst, ich täte mir mit dem Abnehmkurs keinen Gefallen? Ich muss ihn jetzt durchziehen, da ich sonst das Geld von der Krankenkasse nicht wiederbekomme. Meine Therapeutin findet es sehr positiv, dass ich den Kurs besuche. Sie ist sehr nett und ich weiß, dass sie mir zu helfen versucht. Sie arbeitet an der psychotherapeutischen Ambulanz der Universität in der Stadt, in der ich wohne. Man ist dort auch auf Essstörungen spezialisiert. Sie ist Verhaltenstherapeutin. Ja, ich glaube schon, dass sie mich versteht, zumindest versucht sie es ernsthaft, da bin ich mir sehr sicher. Von den 45 bewilligten Stunden sind jetzt 32 verbraucht und wir sind uns beide einig, dass eine Verlängerung keinen Sinn macht, da ich die äußeren Umstände wie z. B. meinen Beruf, nicht ändern kann. Mein Hauptproblem ist meine innere und äußere Einsamkeit und sie sagt immer - was ich schon oft von Therapeuten zu hören bekam - dass ich so normal wirke und sie sich die Einsamkeit nicht erklären kann. Oft leide ich unter "Nebelgefühlen", ich weiß nicht, wie ich sie beschreiben soll, aber es ist definitiv sehr unangenehm. Dann helfen mir Süßigkeiten, um mich wieder zu helfen. Ansonsten hilft nur Schlafen, weshalb ich eine unselige Affinität zu Beruhigungsmitteln habe. Sie versucht, die Essstörung in den Griff zu bekommen, indem sie mir Tipps gibt, wie ich die Nebelgefühle bekämpfen kann wie z. B. starke Düfte. Aber das hilft leider nicht. Am besten hilft nur Schlafen. Und nun kam sie auf Medikamente. Ich weiß leider gar nicht mehr, wie die Medikamente hießen, die ich ausprobiert habe, es waren so einige. Die Nebenwirkungen waren fatal. Allerdings habe ich sie immer nur ein-, höchstens zweimal genommen, nicht länger, weil ich arbeiten muss. Das Beste wäre eine Einstellung unter klinischen Bedingungen. Aber damit würde ich mir Schwierigkeiten auf meiner Arbeitsstelle einhandeln und das will ich nicht.

Re: Wie sieht Eure Therapie aus?

#7
Hallo Nelli,
Du meinst, ich täte mir mit dem Abnehmkurs keinen Gefallen? Ich muss ihn jetzt durchziehen, da ich sonst das Geld von der Krankenkasse nicht wiederbekomme. Meine Therapeutin findet es sehr positiv, dass ich den Kurs besuche.
Grundsätzlich bin ich gegen jedliche Art von Abnehmkursen bei Essstörungen, ja.
Auch wenn man aus gesundheitlichen Gründen Gewicht reduzieren sollte.

Meiner Meinung sind diese einfach zu einseitig gestaltet und fördern eine Aufrechterhaltung der Krankheit oder
verschlimmern diese noch zusätzlich, weil man sich noch mehr auf Gewicht, Aussehen und Abnehmwunsch versteift
und solche Diätprogramme oft sehr frusten, was wir Bulimiker ja dann auf unsere spezielle, kontraproduktive und
selbstschädigende Art und Weise zu kompensieren versuchen. :wink:

Ich denke, dass sich dein Gewicht ohnehin stabilisieren wird, wenn du deine ES in den Griff bekommst.
Und das sollte ja Priorität haben.

Was für einen Abnehmkurs machst du denn genau? Wie ist er organisiert und was und wie empfiehlt man dir zu essen?
Weiß man dort, dass du unter einer Essstörung leidest?


Liebe Grüße,
Aschenputtel

Re: Wie sieht Eure Therapie aus?

#8
Aschenputtel hat geschrieben:Hallo Nelli,
Du meinst, ich täte mir mit dem Abnehmkurs keinen Gefallen? Ich muss ihn jetzt durchziehen, da ich sonst das Geld von der Krankenkasse nicht wiederbekomme. Meine Therapeutin findet es sehr positiv, dass ich den Kurs besuche.
Grundsätzlich bin ich gegen jedliche Art von Abnehmkursen bei Essstörungen, ja.
Auch wenn man aus gesundheitlichen Gründen Gewicht reduzieren sollte.

Meiner Meinung sind diese einfach zu einseitig gestaltet und fördern eine Aufrechterhaltung der Krankheit oder
verschlimmern diese noch zusätzlich, weil man sich noch mehr auf Gewicht, Aussehen und Abnehmwunsch versteift
und solche Diätprogramme oft sehr frusten, was wir Bulimiker ja dann auf unsere spezielle, kontraproduktive und
selbstschädigende Art und Weise zu kompensieren versuchen. :wink:

Ich denke, dass sich dein Gewicht ohnehin stabilisieren wird, wenn du deine ES in den Griff bekommst.
Und das sollte ja Priorität haben.

Was für einen Abnehmkurs machst du denn genau? Wie ist er organisiert und was und wie empfiehlt man dir zu essen?
Weiß man dort, dass du unter einer Essstörung leidest?


Liebe Grüße,
Aschenputtel

Der Kurs wird von der Krankenkasse veranstaltet und findet 18 mal statt, jeweils aus 4 Einheiten Ernährungslehre, einmal kochen und 4 Einheiten Nordic Walking. Ich finde ihn nicht schlecht, habe sogar angefangen, an den Wochenende für mich zu kochen, was ich vorher nicht getan habe, aber natürlich hilft der Kurs nicht, die Bulimie zu besiegen. 11 Einheiten liegen jetzt hinter mir. Nein, von der Bulimie weiß die Leiterin nicht, auch nicht mein Hausarzt, der schriflich bestätigen musste, dass er den Kurs befürwortet. Ich traue mich nicht, der Kursleiterin das zu sagen.

Re: Wie sieht Eure Therapie aus?

#9
Ich habe heute eine gute Erfahrung gemacht! Beeinflusst durch Aschenputtels Bemerkung ein Abnehmkurs sei nicht geeignet, solange man die Bulimie noch nicht im Griff habe, habe ich mich heute der Kursleiterin anvertraut. Ich hatte erst Angst, und dachte, hoffentlich wirft sie mich nicht aus dem Kurs, aber sie reagierte sehr verständnisvoll. Zum nächsten Kursabend will sie mir eine Liste mit Therapeuten mitbringen, die früher in einer Klinik für Essstörungen gearbeitet habe. Vielleicht höre ich tatsächlich bei meiner jetzigen Therapeutin auf. Es ist so ein tolles Gefühl, sich anvertrauen zu können und verstanden zu werden.